Immer mehr KMU in der Schweiz stellen Praktikanten ein. Eine gute Vorbereitung ist dafür jedoch unverzichtbar. Hier einige Tipps.

Laut Angaben des Bundesamtes für Statistik absolvierten 1,4% der Angestellten in der Schweiz im Jahr 2014 ein Praktikum, während dies 2004 nur auf 0,7% zutraf. Diese ständig steigende Zahl spiegelt allerdings nur einen Teil der Praktikanten in den Schweizer Unternehmen wider, da junge Arbeitnehmende, die während ihres Praktikums nicht entlöhnt werden, darin nicht erfasst sind.
"Das Hauptproblem bei einem Praktikum ist, dass es dafür keine klaren gesetzlichen Vorgaben gibt", erklärt Christian Bruchez, Genfer Anwalt für Arbeitsrecht. "Die Verwendung des Begriffs Praktikum ist nicht geregelt, ausserdem vereint er unterschiedliche Realitäten. Es kann sich zum Beispiel um ein Schnupperpraktikum von wenigen Tagen oder um ein mehrmonatiges Berufspraktikum handeln und in einen Studiengang eingebunden sein oder nicht. Bei einem unbezahlten Praktikum ist davon auszugehen, dass es angeboten wird, um dem Praktikanten eine berufliche Erfahrung zu ermöglichen. Sobald der Arbeitgeber aber von der Tätigkeit profitiert, sollte der Praktikant entlöhnt werden."
"Angesichts der juristischen Ungenauigkeit ist es wichtig, dass sich Arbeitgeber und Praktikant vor Beginn des Praktikums insbesondere über den Lohn und die Ausbildungsziele einig sind", rät Christian Bruchez. Wenn eine Entlöhnung besprochen und schriftlich oder auch mündlich vereinbart wurde, gelten die Regeln des Arbeitsvertrags gemäss Obligationenrecht (Art. 319 ff.OR). Im Arbeitsvertrag sind dann der Stundenlohn, die Dauer und der Beschäftigungsgrad des Praktikanten festgehalten. "Auch das Thema Sozialversicherung (Art. 1a UVG) darf nicht ausser Acht gelassen werden", so der Experte weiter. "Der Arbeitgeber muss Beiträge für den Praktikanten zahlen, sobald dessen Einkommen im gesamten Jahr mehr als CHF 2'300 beträgt (Art. 34d AHVV). Ebenso ist es obligatorisch, den Praktikanten genau wie einen Angestellten in der Unfallversicherung anzumelden."
Darüber hinaus gibt es spezielle Schutzvorschriften für Minderjährige: Die Jugendarbeitsschutzverordnung (ArGV 5) regelt genau, welche Stellen nicht mit minderjährigen Praktikanten besetzt werden dürfen, beispielsweise die Bedienung von Gästen in Betrieben der Unterhaltung wie Nachtclubs oder Diskotheken.
"Ein Praktikant ersetzt keinen Mitarbeiter"
"Ein gutes Praktikum soll bestimmte Lernziele erfüllen", betont Eric Davoine, Leiter des Lehrstuhls Personalmanagement und Organisation an der Universität Freiburg. "Der Praktikant kann verschiedene Erwartungen haben: Weiterbildung, Kompetenzerwerb, Geld oder auch den Abschluss eines Universitätsmoduls. Der Arbeitgeber muss diesen Wünschen Gehör schenken." Der HR-Experte rät den kleinen und mittleren Unternehmen nachdrücklich, die Aufgaben, die der junge Angestellte übernehmen soll, klar zu definieren. "Grosse Firmen haben häufig eine eigene Abteilung für die Betreuung von Praktikanten mit einer präzisen Planung und eigens für sie vorgesehenen Stellen. Ein kleines Unternehmen hat manchmal ungenauere Erwartungen oder eine etwas offenere Definition eines Projektes. Wichtig ist, dass es sich darauf vorbereitet, die Lernenden während des gesamten Praktikums zu unterstützen."
Ein KMU muss sich laut Eric Davoine eine wesentliche Frage stellen, bevor es einen Praktikanten in den Betrieb aufnimmt: Können wir denjenigen am Ende des Praktikums behalten? "Die Einbindung über einen mehr oder weniger langen Zeitraum, vor allem in einem KMU, macht ihn zu einem potenziellen Mitarbeiter, der die internen Abläufe im Unternehmen schon gut kennt. Die Verbindung mit der Zukunftsplanung ist sehr wichtig, denn der Praktikant baut durch die Zusammenarbeit mit den Festangestellten gemeinsam etwas auf. Wenn er eingestellt wird, kann er seine erworbenen Fähigkeiten dann in den Dienst des Arbeitgebers stellen."
Mauro Santarella, Personalleiter im waadtländischen Unternehmen de Rham Immobilier, weiss, was man auf jeden Fall vermeiden sollte: "Lässt man einen Praktikanten genauso arbeiten wie einen Angestellten, so führt das zwangsläufig zum Scheitern eines Experiments, das für den Praktikanten und das Unternehmen gewinnbringend sein sollte." De Rham Immobilier hat 70 Beschäftigte und bildet neben der Betreuung von zwei Lehrlingen einen HMS-Praktikanten pro Jahr aus. Diese Schüler, die vom Gymnasium oder von einer Handelsschule kommen, wollen eine kaufmännische Berufsmaturität erlangen und müssen dafür ein einjähriges Berufspraktikum absolvieren. "Für die Arbeit mit einem Praktikanten ist ein nicht zu vernachlässigender Einsatz erforderlich, deshalb ist es wichtig, jemanden auszubilden, den man auch behalten könnte", fügt Mauro Santarella hinzu. "Die Praktikanten werden in jeder Abteilung, die sie in der Firma kennenlernen, von einem Praktikumsleiter betreut. Oft sind diese Schüler sehr motiviert! Wenn es für sie jedoch ein Misserfolg ist, kann das auch das Image eines Unternehmens beflecken. Indem man seine Ausbildungspflichten als Arbeitgeber ernst nimmt, verteidigt man also auch das Firmenimage, das man vermitteln möchte."
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Vor der Einstellung eines Praktikanten
Eric Davoine ist Leiter des Lehrstuhls Personalmanagement und Organisation an der Universität Freiburg. Er gibt Unternehmen, die einen Praktikanten oder eine Praktikantin einstellen wollen, folgende vier Ratschläge:
- Die Bedürfnisse des Unternehmens und die Erwartungen des Praktikanten definieren.
- Das Projekt oder die Aufgaben, die dem Praktikanten zugewiesen werden, definieren und überlegen, wie dessen Know-how genutzt werden kann.
- Die Verfügbarkeit der Mitarbeitenden prüfen, an die sich der Praktikant wenden soll (Empfang, Einarbeitung, Kontakt zu den Kunden, Begleitung).
- Neue Dynamiken oder Spannungen, die in einem Unternehmen mit der Ankunft einer neuen Person vorübergehend entstehen oder zunehmen können, schon im Vorfeld erkennen.
Letzte Änderung 02.09.2015